Leserstimmen

Zwei Monate ist es nun her, dass ich mein Buch herausgebracht habe. Einfach so. Ich schreibe gerne, ich habe ein Buch geschrieben, das ich selber mag, ich hege keinerlei kommerzielle Absichten – und jetzt das: Auch ohne jegliche Werbung – wenn man von diesem Blog und der Facebookseite absieht – ist das Buch erstaunlich gefragt, ich bekomme Zuschriften, und offenbar gefällt die Geschichte nicht nur mir. 🙂 Zeit für eine Zwischenbilanz.

Cover "Darling, wir sind hier im Ritz!"

Cover „Darling, wir sind hier im Ritz!“

Hier ein paar Leserstimmen, aus Amazon-Bewertungen und aus Mails, die mich erreicht haben:

„Der Autorin gelingt es spielend, die Charaktere, Orte und Begebenheiten in ihrem Buch präzise zu beschrieben – es macht einfach Spaß, sich die einzelnen Situationen vorzustellen.“

„Gestern angefangen mit dem Lesen, heute fertig! Toll und spannend geschrieben, dass ich das Buch gar nicht aus der Hand legen wollte (ist mir schon länger nicht passiert).“

„Herrliche Wochenend-Faulenz-Schmacht-Lektüre, an einem Tag weggeschmökert!“

„Diese Geschichte ist nicht einfach nur spannend geschrieben, sie ist voller Überraschungen, Emotionen und man kann nicht mehr aufhören zu lesen, da man einfach wissen muss, was als nächstes passiert. Einfach eine geniale Story!“

„Es ist echt Klasse!! Obwohl Liebesromane eigentlich gar nicht meins sind, habe ich das Buch förmlich „aufgefressen“. Ich brauche eine Fortsetzung!“

„Die Story nimmt einen gefangen und lässt einen bis zum Schluss nicht mehr los, man muss einfach bis zum Ende weiterlesen. Eine wirklich bezaubernde Liebesgeschichte mit noch viel mehr Drumherum, ich bin total begeistert und kann nur sagen: Das schreit nach einer Fortsetzung!“

Was die Fortsetzung angeht, so ist tatsächlich eine geplant und bereits in Vorbereitung. Geübte Leser meines Blogs wissen, dass ich den Text, der ursprünglich EIN Buch werden sollte, kurzentschlossen geteilt hatte („Ganz schön aufregend„). Der zweite Teil wird nun die Fortsetzung. Ich muss einiges ändern, damit auch Leser, die den ersten Band nicht kennen, damit zurechtkommen, und ich arbeite fleißig daran. Als Erscheinungsdatum ist September oder Oktober geplant.

Und noch etwas: ich würde mich sehr über weitere Leserstimmen auf Amazon freuen! 🙂

Kapitel 26 – Juan in Gefahr

Lufthansa-Maschine nach London

Lufthansa-Maschine nach London

Die Koffer waren aufgegeben. Noch eine halbe Stunde, bis sie an Bord gehen konnten. Juan und Kitty schlenderten Hand in Hand durch die Geschäfte in der Abflugzone. Juan schenkte den Auslagen kaum Beachtung, ein Flughafen war wie der andere. Duty-Free-Shops, Internationale Presse, teure Markenkleidung, Bücher, Reiseutensilien. Er kaufte nur ein Päckchen Kaugummi. Das Kauen half ihm, während des Fluges den Druck auf die Ohren auszugleichen. Auf sein Gehör musste er ebenso achtgeben wie auf seine Stimme. Außerdem würde das Pfefferminzaroma vielleicht den seltsamen Geschmack in seinem Mund vertreiben.
Kitty zeigte auf den Presseshop und ließ seine Hand los. „Ich hole mir noch eine Tageszeitung.“
Juan runzelte die Stirn. „Es gibt im Flugzeug welche.“
„Ja, aber ich will eine Berliner Morgenpost, die hat die Lufthansa nicht“, sagte Kitty, „nun mach doch nicht so ein Gesicht.“
„Ich mache ein Gesicht?“
„Als ob du Magenschmerzen hättest.“
Juan fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und fühlte Schweißtropfen. Seltsam. Er sah, dass Kitty ihn misstrauisch musterte. „Wieso schwitzt du? So warm ist es doch nicht.“
Juan zuckte nur mit den Achseln und deutete mit dem Kopf auf die Wartezone vor dem Boarding-Schalter. „Ich setze mich da drüben ein bisschen hin.“
„Du hattest wohl gestern doch ein Bier zuviel, oder?“, neckte sie ihn und ging zum Presseshop hinüber.
Juan schleppte sich zu den Sitzreihen. Ihm war elend zumute, hundeelend. Er wollte sich Kitty gegenüber nichts anmerken lassen. Trotz Reisefieber und Stress, den sie vorher gehabt hatten, freute sie sich wie ein kleines Kind auf London.
Juan fühlte sich schwach auf den Beinen, er hatte Schweißausbrüche und ihm war speiübel. Wahrscheinlich hatte er am Abend vorher bei der Party irgendetwas gegessen, was nicht mehr gut war. Vielleicht diese Hackfleisch-Bällchen, Hackfleisch war doch so empfindlich. Juan hatte vor Jahren einmal eine Lebensmittelvergiftung gehabt, das hatte sich genauso angefühlt. Aber Kitty hatte das gleiche gegessen wie er, und ihr ging es gut. Seltsam. Juan ließ sich auf einen der Sitze in der Wartezone fallen, lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Oh, gut. Dann merkte er das Schwindelgefühl nicht mehr so. Einfach so sitzenbleiben können, nirgendwo hin müssen, einfach nur schlafen.
Kitty fand ihre Zeitung und durchstöberte die Neuerscheinungen der Taschenbücher, bevor sie zu Juan zurückkehrte. Er saß zusammengesunken auf einem Sessel in der Wartezone, hatte den Kopf angelehnt und die Augen geschlossen. Als Kitty ihm eine Hand auf die Schulter legte, fuhr er erschrocken zusammen und richtete sich auf. Er war blass und auf seiner Stirn stand wieder Schweiß. „Wir können gleich an Bord“, sagte Kitty mit Blick auf den Schalter, an dem die Flugbegleiter soeben letzte Vorbereitungen zum Boarding trafen. Juan nickte nur stumm.
Kitty legte ihre Zeitung neben ihm auf dem Sitz ab, ging vor ihm in die Hocke und sah ihm besorgt ins Gesicht. Es schien, als könne Juan nur mühsam die Augen offenhalten. „Juan, was ist denn los mir dir? Sollen wir besser nicht fliegen?“
„Natürlich fliegen wir“, sagte Juan, stützte sich auf der Armlehne ab und stand entschlossen auf, „hast du vergessen, dass Ramón in drei Tagen kommt?“ Er schwankte und hielt sich einen Moment an der Sitzbank fest.
„Nein, natürlich nicht“, sagte Kitty zögernd und beobachtete ihn besorgt, „aber wenn du krank bist, solltest du besser nicht in einen Flieger steigen.“ In diesem Moment wurde ihre Maschine zum Boarding aufgerufen.
„Ich bin nicht krank, mir ist nur ein bisschen flau. Es ist nichts“, versicherte Juan, nahm die Zeitung, legte einen Arm um ihre Schultern und sie gingen zum Ausgang.

Kapitel 22: Ortsveränderungen

Kitty und Juan haben ein großes Problem: Juan wohnt in London, wenn er nicht gerade für Promotion-Termine oder auf einer Tournee unterwegs ist, und Kitty wohnt und arbeitet in Köln. Wie sollen sie auf diese Weise zusammen leben können?

Zum Glück gibt es jemandem, dem es nicht egal ist, dass Kitty glücklich wird…

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Es klopfte. Kitty sah überrascht von den Zeitungsartikeln auf, die sie gerade in der Hand hielt. Außer ihr war noch jemand im Büro? „Herein!“
Werner Tumbstedt steckte den Kopf durch die Tür. „Gut, dass Sie noch da sind.“
„Kommen Sie rein, Werner“, sagte Kitty und räumte einen Stuhl frei, „was gibt es denn?“ Tumbstedt blieb stehen und sah sie nachdenklich an. „Ich habe heute Nachmittag einen Anruf aus Köln bekommen. Es war eine der Redaktionen, bei denen Sie sich beworben haben. Ich wollte warten, bis die anderen Kollegen weg sind, bevor ich mit Ihnen spreche, damit wir nicht ständig gestört werden.“
„Ja“, sagte Kitty zerstreut, während sie überlegte, in welchen Karton die Unterlagen in ihrer Hand gehörten, „bei mir hatte sich auch jemand gemeldet, dass eine Stelle frei wird. Ich muss mir die Mail noch genauer ansehen.“
„Ich weiß, dass man Sie angeschrieben hat“, sagte Tumbstedt, „ich bin zwar nicht unmittelbar entscheidungsbefugt, aber da Sie in den letzten drei Monaten hier gearbeitet haben, hat man mich um meine Meinung gefragt.“
„Und?“, fragte Kitty.
„Ich habe gesagt, ich bin dagegen.“ Kitty ließ sich mit offenem Mund auf ihren Stuhl fallen. „Sie sind dagegen???“, fragte sie verärgert, „warum???“ Um Tumbstedts Mundwinkel spielte ein seltenes Lächeln. „Weil ich eine bessere Idee habe.“ Kitty beobachtete ihn misstrauisch. Tumbstedt setzte sich lässig auf Kittys Schreibtischkante. „Kennen Sie Tom Kleber?“ Kitty überlegte kurz und nickte. „Ja, sicher. Von SENDER Regional. Ich habe vor ein paar Jahren mit ihm zusammengearbeitet.“ Tumbstedt nickte. Offenbar wusste er es schon und hatte nur ihre Bestätigung hören wollen. „Tom hat sich vor ein paar Monaten mit einer kleinen, aber feinen Produktionsfirma in London selbständig gemacht. Er liefert vor allem Interviews und Nachrichten aus Großbritannien für Hörfunk und Fernsehen, an deutsche Sender, aber er arbeitet auch eng mit der BBC zusammen. Er ist gut im Geschäft und braucht dringend Verstärkung.“
Kitty versuchte zu begreifen, worauf Tumbstedt hinaus wollte. „Und Sie haben an mich gedacht?“
„Der SENDER würde Sie an Tom sozusagen ausleihen. Erst einmal für sechs Monate, mit Option auf Verlängerung, aber das ist noch nicht sicher. Man verspricht sich davon, dass Sie Kenntnisse erwerben, die letztendlich dem SENDER wieder zugute kommen. Deswegen habe ich Sie in den letzten Tagen auch Interviews für den Hörfunk machen lassen. Tom hat sich einige Ihrer Berichte angesehen und angehört, und hat zugestimmt.“ In Kittys Kopf drehte sich alles. Die Achterbahnfahrt in ihrem Leben ging jetzt auch im Beruf weiter. „Sie haben flexible Stundenzahl, aber müssen sich natürlich mit Tom absprechen, er ist der Chef. Ich weiß, dass Sie nicht gerne vor der Kamera arbeiten, aber Interviews liegen Ihnen ganz offensichtlich, und Ihr Englisch ist hervorragend. Trotzdem werden Sie an dem einen oder anderen Interview-Coaching der BBC teilnehmen. Tom hat das bereits in die Wege geleitet.“
„Produktionsfirma?“, wiederholte Kitty mechanisch, „ab Januar? In London? Coaching bei der BBC?“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Wollen Sie die Stelle denn nicht?“, fragte Tumbstedt erstaunt.
Kitty sprang auf. „Nicht wollen? Natürlich will ich sie!! Werner, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, das ist großartig!“ Ihr fehlten die Worte und so ging sie einfach auf ihn zu und drückte ihn einmal fest. „Wie soll ich Ihnen nur danken?“ Tumbstedt klopfte ihr verlegen auf den Rücken und schob sie wieder von sich. „Machen Sie einen guten Job, das ist mir Dank genug. Und nutzen Sie dieses Sprungbrett.“ Kitty nickte eifrig. Tumbstedt zwinkerte ihr zu. „Sie haben übrigens in den letzten Wochen so viele Überstunden angehäuft, dass Sie mit Ihrem Resturlaub zusammen den ganzen Dezember freinehmen können – das müsste für den Umzug reichen, oder?“ Herrje, einen Umzug nach London vorbereiten. Noch ein Punkt mehr auf ihrer Liste.

London

London

Kapitel 20 – El Doctor

Karolin ist auf La Gomera unterwegs, um Juans Zwillingsbruder zu finden. Sie hat einige Anhaltspunkte, wo er sich aufhalten könnte, aber keine heiße Spur. Bis ihr ein Wanderer berichtet, dass er Ramón gesehen hat, und ihr beschreibt, wo ungefähr das war. Auf der Wanderkarte ist mitten im Wald ein winziger Weiler eingezeichnet, und Karolin macht sich auf die Suche.

Diese Lichtung, auf der vereinzelte verlassene und halb eingestürzte kleine Häuser stehen, gibt es auf La Gomera wirklich, hier sieht man eines davon:

Ich werde nicht verraten, wo das ist, damit nicht etwa jemand auf die Idee kommt, Ramón dort zu suchen… 😉

Kapitel 17

London. Kitty besucht zum ersten mal Juan in seinem Londoner Haus. Es liegt im Stadtteil Chelsea – und ist frei erfunden. Nein, nicht ganz frei erfunden. Das Innere entspricht in großen Teilen dem Haus eines Freundes, der Architekt war und es selbst geplant hatte, und steht am Niederrhein in der Nähe der holländischen Grenze. Herzstück des Wohnbereichs ist eine breite Treppe und oben eine offene Galerie, von der aus man den ganzen Wohnbereich übersehen kann, unten ein breites Fenster zum Garten. Das Haus hat Ecken und Winkel, es ist gemütlich, es heißt einen willkommen, es hatte vom ersten Moment an Charakter.

Ich habe leider kein Foto davon und ich kann auch keins mehr machen – der Freund ist vor einigen Jahren bei einem grässlichen Unfall ums Leben gekommen. Die Beschreibung von Juans Haus ist aus dem Gedächtnis. Manfred, falls Du jetzt gerade von Deiner Wolke heruntersiehst: ich hab Dich nicht vergessen. 🙂

Eine Straße in Chelsea

Eine Straße in Chelsea

Kittys Ankunft in London:

Gelassen und sicher steuerte Juan den Wagen durch den dichten Londoner Verkehr. Eine Hand ruhte hin und wieder auf Kittys Bein, ab und zu lächelten sie sich an, aber sprachen nur wenig. Sie brauchten nicht viele Worte, um zu wissen, was der andere dachte. Kitty sah während der Fahrt neugierig aus dem Fenster. Wäre sie in dieser Stadt ausgesetzt worden, ohne zu wissen, wo, sie hätte sofort erkannt, dass es nur London sein konnte. Die kleinen Kamine auf den Dächern, die sie immer an den Film ,Mary Poppins‘ erinnerten, die schmiedeeisernen Gitter vor den Häusern, die Hauseingänge mit wenigen Treppenstufen, die schmalen Vorgärten, sie kannte das alles noch aus der Zeit, als sie während des Studiums einige Wochen in London gewohnt hatte.
Juan wusste, dass es ihre erste Wiederbegegnung mit London war, und er sah ihr Gesicht immer wieder aufleuchten, wenn sie an einer Stelle vorbeikamen, die sie kannte. Er wollte ihre ersten Eindrücke und ihre Wiedersehensfreude nicht durch Reden stören.

Im Stadtteil Chelsea bogen sie schließlich in eine Seitenstraße ab, in der die Bebauung lockerer und die Häuser größer waren. Juan schwenkte in die Einfahrt eines hell gestrichenen, einstöckigen Hauses und hielt vor dem Garagentor an. Das Haus lag etwas von der Straße zurück. Den Vorplatz füllten riesige Steinguttöpfe mit Sträuchern darin, denen sicher nicht einmal ein Sturm etwas anhaben konnte. Einige Stufen führten zur Haustür, die unter einem Bogen lag, der ein kleines Dach vor dem Eingang bildete. Kitty legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Die Hauswand war mit Efeu begrünt, und im Dachgeschoß sah sie zwei Gaubenfenster zur Straße. Offenbar gab es dort oben weitere Zimmer.

Das Kapitel, das keinen Platz mehr hatte…

Rückblickend betrachtet, habe ich für mein Buch über den Daumen gepeilt die doppelte Menge von dem geschrieben, was dann tatsächlich veröffentlicht wurde. Mal änderte sich im Laufe des Schreibens die Handlung, und einige Passagen passten nicht mehr und mussten neu geschrieben werden, manchmal fielen ganze Kapitel dem notwendigen Kürzen zum Opfer, weil es der Geschichte einfach gut tat, gestrafft zu werden.

Eines dieser Kapitel ist das unten folgende. Wer „Darling, wir sind hier im Ritz!“ gelesen hat, weiß, dass Juan Kitty in Köln besucht hat, bevor sie zusammen nach London abflogen. Kitty will ihren Juan ihren Eltern vorstellen…

**********************************

„Sag mir nochmal, warum wir dorthin fahren.”
Kitty seufzte. „Ich denke, das gehört sich so, meinen Eltern den Mann vorzustellen, den ich heiraten möchte. Erst recht, wenn ich für eine Weile von hier fort ziehe.”
Juan zwinkerte ihr zu. „Was hast du ihnen denn über mich erzählt?”
„Spanier, geschieden, zehn Jahre älter. Aber noch nicht, dass wir heiraten.”
Juan lachte schallend. „Typisch Kitty. Zack, einfach die Fakten ins Gesicht werfen und das Wesentliche weglassen.”
Kitty kicherte. „Es war auch ohne das Wort Heirat schon ein Schock. Fast schade, dass ich am Telefon Muttis Gesicht nicht sehen konnte.”
Juan stand vor dem Spiegel in Kittys Diele, zupfte an seinem Hemdkragen, drehte sich nach rechts und nach links und begutachtete seinen Anzug. „Ich hätte mir doch noch einen kaufen sollen. Der sieht sehr zerknittert aus.”
„Ich habe mich gewundert, dass du ihn überhaupt mitgebracht hast. Ich werde dich meinen Eltern als weitgereisten Mann vorstellen, der darf auch mal zerknitterte Anzüge haben, weil er aus dem Koffer lebt.” Kitty legte von hinten die Hände auf seine Schultern und reckte sich, damit sie sein Gesicht im Spiegel sehen konnte. Juan runzelte die Stirn und Kitty zwinkerte ihm zu. „Aber das Thema Reisen gefällt ihnen sicher.”
„Und wie lange bleiben wir?” Juan drehte sich um und drückte Kitty an sich. Kitty seufzte. So sehr sie den Körperkontakt mit Juan liebte, heute war sie nervös.
„Du wirst sehen, dass ich nach spätestens einer Stunde die Nase voll habe. Und sie werden froh sein, wenn wir wieder gehen. Wahrscheinlich haben wir sowieso ihren sonntäglichen Ablauf durcheinander gebracht.”
Juan öffnete einen weiteren Hemdenknopf und begutachtete sich im Spiegel. „Magst du deine Eltern nicht?”
„Irgendwie mag ich sie wohl. Ich hab ja nur diese Eltern. Aber die Bindung war nie besonders eng. Sagen wir mal, wir haben einige wenige gemeinsame Gesprächsthemen.”
Juan hob die Augenbrauen und warf ihr einen Blick zu. „Das klingt aber nicht gerade besonders herzlich.”
Kitty verschränkte die Arme, während sie am Spiegel lehnte und Juan zusah. „Ich kam erst auf die Welt, als sie schon gar nicht mehr damit gerechnet hatten, Kinder zu bekommen, und irgendwie habe ich jahrelang gestört, glaube ich. Sie waren froh, als ich mit 18 ausgezogen bin, da konnten sie wieder ungestört ihren Hobbys nachgehen.”
„Zum Beispiel?”
„Reisen. Das ist mit einem Kind oder einer Jugendlichen im Schlepptau sehr viel komplizierter. Und natürlich auch teurer.”
„Reisen ist aber doch unglaublich bereichernd. Das ist es ja, was ich an meinem Beruf so liebe, dass ich so viel herumkomme. Auch wenn es mir während der Tour manchmal zuviel wird.”
„Du wirst feststellen, dass meine Eltern sogenannte ‚Ab-hak-Reisende‘ sind.”
Juan runzelte fragend die Stirn. „Ab was?”
„Ab-hak-Reisende. Abhaken. Sie nehmen sich vor, irgendwo hinzufahren, studieren vorher eifrig den Baedeker-Reiseführer, machen eine Liste der Sehenswürdigkeiten, die sie sehen wollen, besuchen sie, haken sie auf der Liste ab, fahren anschließend wieder nach Hause und zeigen ihren Freunden die Fotos.”
Juan runzelte die Stirn. „Du meinst, sie verreisen, um anderen sagen zu können, dass sie da und da auch schon waren?”
„Genau. Sie führen anschließend ihr Leben genauso weiter wie vorher. Sie gewinnen keine neuen Erkenntnisse, sie denken nicht über andere Menschen nach, sie nehmen keine Anregungen mit, sie kochen zu Hause kein Essen nach, das sie im Urlaub gegessen haben, sie lernen keine fremden Sprachen, geschweige denn, dass sie feststellen, dass in anderen Ländern womöglich etwas besser ist als hier.”
„Das verstehe ich nicht“, sagte Juan, „kann man so blind sein?“ Er zog das lose zusammengelegte Stofftaschentuch aus dem Jackett, faltete es auf den Millimeter genau passend und drapierte es in seiner Brusttasche. Er lächelte über Kittys verwunderten Blick. „Weißt du, wie oft ich das schon gemacht habe? 150 Konzerte alleine bei der diesjährigen Tour, in jedem Konzert zweimal umziehen, also dreimal Tuch einstecken. Irgendwann macht man das im Schlaf.“
„Das glaube ich sofort“, sagte Kitty und betrachtete prüfend Juans Hemd, das wie immer am Hals weit offen stand. Er hatte in Südamerika tatsächlich die Zeit gehabt, die eine oder andere Stunde müßig in der Sonne zu sitzen. Und Juan mit seiner dunklen Haut wurde sofort tiefbraun. Aus dem offenen Hemdkragen lugten einige schwarze Brusthaare heraus, das Hemd spannte über seiner breiten Brust. Er sah zum Anbeißen aus. „Keine Krawatte?“
Juan starrte sie finster an. „Wir können uns auf einen geschlossenen Knopf mehr einigen, aber Krawatte? Niemals.“
Kitty lachte. „Keine Sorge, ich habe sowieso keine im Haus.“ Sie sah sich in der Diele um und griff nach ihrer Handtasche. „Haben wir alles?“
Juan zeigte auf ihre Füße. „Schuhe wären gut.“
Kitty streifte sich hastig ihre Stiefel über und griff nach den Autoschlüsseln auf dem Dielenschrank.
„Soll ich fahren?“, fragte Juan.
Kitty schüttelte den Kopf. „Ich kenne diesen Toyota, ich nehme immer denselben Mietwagen.“

Eine halbe Stunde später standen sie vor der Haustür eines typischen niederrheinischen Reihenhauses. Zehn Häuser in einer Reihe, die Eingänge immer ein wenig versetzt, aber alle mit den selben Gehwegplatten. An jeder Haustür hing wegen der nahen Adventszeit ein Kranz aus Tannenzweigen. Unterschiede gab es nur in der Dekoration. Häuser, in denen Familien mit Kindern wohnten, waren an den selbstgebastelten Fensterbildern und Strohsternen an den Türen zu erkennen. Juan sah sich um. Die Häuschen waren recht hübsch, aber gesichtslos. Geradezu perfekt, um ein unauffälliges Leben zu führen.
Kittys Mutter öffnete die Tür, eine kleine, rundliche Frau mit grauen Haaren und grünen Augen. Aha, von ihr hatte Kitty sie geerbt. „Herein, herein mit Euch“, sagte sie und gab beiden nacheinander die Hand.
„Hallo Mutti“, sagte Kitty, zog Juan herein und schloss die Tür.
„Kalt heute, nicht?“, fragte Kittys Mutter und betrachtete Kitty von oben bis unten. „Eine schöne Jacke hast Du an.“ Sie ging zur Treppe neben der Haustür. „Vati, komm doch mal!“, rief sie nach oben. Juan sah die Treppe hinauf, auf der ein grauhaariger Herr in einer Strickjacke erschien und langsam die Stufen hinunter stieg.
„Das geht nicht so schnell“, sagte er, „die Knie, wissen Sie?“ Als er unten angekommen war, gab er Juan die Hand und deutete auf eine Türe weiter hinten. „Bitte kommen Sie herein.“
Kittys Mutter wuselte schon im Wohnzimmer herum und rückte die Servietten und den Kuchen auf dem gedeckten Tisch zurecht. „Der Kaffee ist auch gleich fertig“, sagte sie mit einem nervösen Seitenblick auf Juan, als ob sie einen Wutausbruch befürchtete, weil noch keine Kanne auf dem Tisch stand.
Juan lächelte freundlich. „Danke“, sagte er einfach.
Kitty zog Juan zur Eckbank und sie setzten sich nebeneinander. Juan fühlte Kittys Oberschenkel unter dem Tisch dicht an seinem. Ganz sicher der falsche Zeitpunkt, Lust zu spüren, aber er konnte nichts dagegen machen. Bei jeder Berührung mit ihr hatte er innerhalb von Sekunden das Gefühl, sein Blut finge an zu köcheln. Er warf ihr verstohlen einen Blick zu. Kitty grinste, ohne ihn anzusehen. Ihr ging es genauso.
Kittys Vater setzte sich ans Kopfende und dankte seiner Frau mit einem Kopfnicken, die mit der Kaffeekanne aus der Küche kam und sie auf den Tisch stellte. Sie verteilte Kuchenstücke auf die Teller und forderte sie mit einer Handbewegung auf, anzufangen.
„Sie heißen also Juan Torres“, sagte Kittys Vater und sah Juan stirnrunzelnd an.
„Ja, Señor“, sagte Juan höflich, „genauer Juan Torres Delgado. Delgado ist der Familienname meiner Mutter.“
„Ach, man hat in Spanien immer zwei Namen?“
Kitty verdrehte leicht die Augen. „Das hab ich dir doch am Telefon erklärt, Mutti, der erste Nachname vom Vater, der zweite von der Mutter.“
„Aha. Und wie wirst du dann heißen?“
„Das wird sehr lustig werden“, kicherte Kitty, „in Spanien behalten Frauen ihren Namen, dort heiße ich dann Kitty Sander, in London und Deutschland einfach nur Kitty Torres, und im Beruf werde ich meinen eigenen Namen quasi als Pseudonym behalten.“
Kittys Eltern verzogen keine Miene, und diesmal war Juan kurz davor, die Augen zu verdrehen.
„Wir waren einmal in Spanien“, sagte jetzt Kittys Vater, „das war… warte, das war…“
„1995“, half Kittys Mutter aus und lachte ein wenig, „in Barcelona. Wir sind aber nicht lange geblieben.“
„Warum nicht? Barcelona ist doch sehr schön“, fragte Juan verwundert.
„Ach ja, wissen Sie“, druckste Kittys Mutter herum, „Katharina war damals in diesem schwierigen Alter, sie wollte nur Spaß haben und in die Disko und diese Dinge. Für die Architektur von Gaudi hat sie sich überhaupt nicht interessiert.“
Kitty verzog das Gesicht und wollte etwas sagen, aber ihr Vater kam ihr zuvor. „Katharina hat gesagt, Sie stammen aus Madrid?“
„Ja, Señor.“
„Und zuletzt haben Sie sich in Südamerika aufgehalten?“
„Ja, Señor, ich war beruflich unter anderem in Argentinien.“
„Argentinien? Sind da nicht diese Drogenkriege?“ Kittys Vater runzelte die Stirn. Der Gedanke an ein unruhiges südamerikanisches Land schien ihm nicht zu behagen. „Er spricht erstaunlich gut deutsch“, sagte er zu seiner Frau.
„Vielen Dank, Señor“, sagte Juan.
„Argh!“, sagte Kitty, „Vati, ich hab doch erzählt, dass Juan in Deutschland aufgewachsen ist.“
„Ach ja, richtig, hast du ja, Kind. Und er ist Sänger?“
„Ja, ich bin Sänger“, sagte Juan, der sich ärgerte, dass Kittys Vater ihn nicht selbst fragte, „Bariton.“
Kittys Vater hob die Augenbrauen. „Und davon kann man leben? Oder haben Sie da in Südamerika vielleicht noch andere Geschäfte am Laufen?“ Er musterte missbilligend Juans zerknitterten Anzug, sein offenes Hemd und seine Stirnlocke. „Für eine Krawatte reicht es offenbar nicht“, sagte er und deutete mit der Kuchengabel auf Juans Hemd. „Fehlt nur noch das Goldkettchen.“
„Vati!!!“, rief Kitty empört.
„Ich kann vom Singen alleine so gut leben, dass ich mir erlaubt habe, um Kittys Hand anzuhalten“, sagte Juan ungerührt und in seinem besten Deutsch.
Wie auf Kommando ließen Kittys Eltern ihre Kuchengabeln fallen. „Ihr… ihr wollt heiraten??“, fragte Kittys Mutter mit einem Anflug von Entsetzen. „Also wirklich, Katharina, hast du dir das auch gut überlegt?“
„Hab ich, Mutti“, sagte Kitty, und Juan hörte deutlich, wie gereizt sie war.
„Ja, aber…“, stotterte Kittys Mutter, „wo wollt ihr denn dann wohnen?“
„In London, Mutti. Juan hat dort ein Haus, und ich kann eine Weile für ein kleines Produktionsstudio und dann wieder für den SENDER arbeiten.“
„Ein Haus“, sagte Kittys Vater, „so, so. Gemietet?“
„Nein, es gehört mir“, sagte Juan, „und es ist komplett bezahlt.“
Kittys Vater hob wieder die Augenbrauen. „Wie groß ist es?“
„Knapp 250 Quadratmeter Wohnfläche plus Garage und Garten.“
Juans Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen. Offensichtlich hatte er darüber nachgedacht, wie das Gespräch ablaufen würde und sich seine Antworten zurechtgelegt. Kitty legte dankbar unter dem Tisch eine Hand auf sein Bein und streichelte es. Juans Mundwinkel zuckten für einen Moment, aber er sah Kittys Vater weiterhin gerade in die Augen.
„250 Quadratmeter?“, sagte Kittys Mutter staunend, „das ist ja doppelt so groß wie unser Haus hier. Da wirst du eine Menge zum Sauberhalten haben“, sagte sie und drohte Kitty scherzhaft mit dem Finger. „Aber wenigstens ist genug Platz und ein Garten für die Kinder.“
Kinder. Juan und Kitty warfen sich einen Blick zu. Darüber hatten sie noch nicht wieder gesprochen. Nicht konkret. Nur, dass sie irgendwann welche wollten. Juan sah in Kittys Augen, dass sie dieses Thema lieber vermeiden wollte. „Erst einmal wollen wir ein bisschen Zeit für uns selber haben“, sagte Kitty ausweichend, „wir kennen uns ja noch nicht so lange.“
„Ihr solltet nicht zu lange warten, Juan ist ja auch nicht mehr der Jüngste, nicht wahr?“, kicherte Kittys Vater.
Kitty holte tief Luft. „Nicht das Alter ist entscheidend, sondern die Einstellung zu Kindern“, sagte sie scharf, „wenn man sie nur als Störenfriede betrachtet, ist man in jedem Alter zu alt.“
„Na, na“, sagte Kittys Mutter und blickte bekümmert auf dem Tisch herum, „du bist immer noch so frech und widerspenstig.“ Sie lächelte Juan an. „Hoffentlich wissen Sie, worauf Sie sich mit ihr einlassen.“
Juan schmunzelte belustigt. „Keine Sorge, Señora, das weiß ich ganz genau. Und ich freue mich darauf.“ Er fühlte, dass Kitty ihn unter dem Tisch dankbar ins Bein kniff.
Es entstand eine ungemütliche Pause, Kittys Mutter schien verzweifelt nach einem Thema zu suchen. „Ich habe neulich Joachim getroffen”, sagte sie und fixierte Kitty mit ihrem Blick, “er hat sich nach Dir erkundigt.“
„Wie schön“, sagte Kitty ohne jede Begeisterung.
„Er ist übrigens geschieden.“
Juan entging nicht, dass Kittys Mutter einen Seitenblick auf ihn warf und gleichzeitig hoffte, dass er es nicht bemerkt hätte. Am liebsten hätte er gelacht. Er setzte eine strenge Miene auf und wandte sich an Kitty. „Wer ist Joachim? Gibt es da etwas, das ich wissen muss?“
Kitty sah die Belustigung in seinen Augen, aber ihr war weniger zum Lachen als zum Weinen zumute. „Joachim ist ein Schulkamerad von mir. Ich habe ihn seit dem Abitur nicht mehr gesehen. Mutti hat immer behauptet, er wäre der ideale Schwiegersohn, und ich fand ihn todlangweilig.“
Kittys Mutter betrachtete ihre Tochter missbilligend, dann schien ihr etwas einzufallen. „Möchte dein Bekannter vielleicht den Garten sehen?“
Kitty machte den Mund auf, um etwas zu sagen, als Juan schon aufstand. „Sehr gerne“, sagte er höflich. Kitty wusste, dass Juan sich nicht die Bohne für den Garten interessierte. Wahrscheinlich wollte er die Gelegenheit nutzen, frische Luft zu schnappen. Kein Wunder. Leider wollte ihr Vater mitgehen. Er stand erstaunlich beweglich auf und öffnete die Tür zur Terrasse. „Ein Jammer, dass die Rosen schon verblüht sind, Sie hätten im Sommer hier sein müssen.“
Er ging voran und Juan folgte ihm. Kitty hatte den Verdacht, dass Juan draußen einem väterlichen Verhör würde standhalten müssen, ob er denn gut für die Tochter sorgen könnte und ihr immer treu sein würde.
„Wo habt ihr euch denn kennengelernt?“, fragte ihre Mutter neugierig, während Kitty den Hals reckte und versuchte, die beiden Männer auf der Terrasse im Auge zu behalten. Ihr Vater streckte gerade den Arm aus und beschrieb einen großen Kreis, der den ganzen Garten umfasste. Armer Juan, jetzt kam der Vortrag über englische Teerosen.
„Ähm… in Köln. Ich habe Juan in Köln kennengelernt.“ Bloß keine Einzelheiten zu ihrer Mutter. Sie hörte nie richtig zu, verdrehte immer alles und zum Schluss bekamen die Nachbarn eine völlig verdrehte Version erzählt, an der kein Wort mehr stimmte.
„Ah, sicher beim SENDER. Ihr habt ja auch mit Sängern zu tun.“ Ihre Mutter lächelte selbstgefällig. Offensichtlich war sie stolz darauf, dass sie das behalten hatte.
„Ja, so in etwa, Mutti.“ Der ausgestreckte Arm ihres Vaters beschrieb draußen gerade einen weiteren Kreis zur anderen Seite und hätte um ein Haar Juans Kopf getroffen.
Kittys Mutter schüttelte mit dem Kopf und runzelte die Stirn. „Spanier ist dieser Juan? Also, ich hätte ja nie geglaubt, dass du dich mal mit einem Ausländer einlässt. So haben wir dich nicht erzogen.“
Kittys Kopf fuhr herum. „Was soll denn das heißen?!“, fragte sie empört, „mir gefällt dieser Unterton überhaupt nicht, Mutti! Einlassen! Als ob Juan irgendein Gesindel wäre! Ich kann nicht glauben, dass du so etwas sagst oder auch nur denkst!!“
Kittys Mutter machte ein beleidigtes Gesicht. „Schrei mich nicht an, ich bin immerhin deine Mutter. Man wird sich doch noch Sorgen machen dürfen.“
„Mutti, ich bin 30, ich bin erwachsen.“
„Ach“, sagte ihre Mutter herablassend, „Kinder bleiben immer Kinder. Das verstehst du nicht, dafür bist du noch zu jung.“
In Kitty brodelte es. Nie hatte sie sich gegen ihre Mutter zur Wehr setzen können, noch nie. Immer noch fühlte sie sich wie ein kleines Mädchen, das abgekanzelt wurde. Heute war es das erste Mal, dass sie sich gegen die Elternübermacht stark genug fühlte, überhaupt etwas zu sagen. Sie stand auf.
„Ich bin nicht bereit, mir diesen Unsinn länger anzuhören.“ Sie machte Anstalten, in den Garten hinauszugehen, aber gerade kam ihr Vater mit Juan im Schlepptau wieder herein. „…diese Sorte habe ich selbst gezüchtet. In voller Blüte hat sie einen wundervollen Lachston.“
Juan nickte nur, warf Kitty einen verstohlenen Blick zu und steuerte auf seinen Stuhl zu, um sich wieder hinzusetzen.
Ihre Mutter blickte auf dem Tisch herum. „Noch jemand Kaffee?“
Kitty schnaubte durch die Nase und schüttelte den Kopf. „Nein danke, Mutti. Ich glaube, wir gehen besser wieder.“ Juan war stehengeblieben, drehte den Kopf und sah zwischen ihr und ihrer Mutter hin und her.
„Ach, ihr müsst schon wieder los?“, fragte Kittys Mutter, „musst du heute noch arbeiten?“ Sie sah zu Juan auf. „Wissen Sie, Katharina ist nämlich sehr fleißig, sie arbeitet manchmal sogar am Wochenende. Was genau machst du da nochmal?“
Kitty warf ihre Serviette auf den Teller, die sie noch in der Hand hatte. „Weißt du was, Mutti? Ich will Euch nicht damit langweilen, dass ich zum soundsovielten Male erzähle, was ich eigentlich mache. Offenbar habt ihr sowieso nie zugehört. Schaut euch einfach heute Abend um sieben die Sendung an.“
„Ja, sicher“, sagte Kittys Mutter und nickte, „das werden wir tun.“
Juan ging zu Kittys Vater und verabschiedete sich mit einem festen Händedruck. „Auf Wiedersehen“, sagte er mit einer kleinen Verbeugung, „es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.“
„Ich bleibe sitzen, ja? Mein Knie…“
„Ich bring euch raus“, sagte Kittys Mutter und ging Richtung Haustür.

Sie waren die Stufen bis zur Straße noch nicht ganz hinuntergegangen, als sie hinter sich die Haustür schon zufallen hörten. Kitty zog schweigend den Autoschlüssel aus der Tasche, und Juan sah, dass ihre Hand vor unterdrückter Wut zitterte. Er nahm ihr die Schlüssel aus der Hand. „Lass mich fahren. Zumindest das erste Stück. Bis du dich beruhigt hast.“
Juan fuhr dann doch die ganze Strecke nach Köln. Kitty saß auf dem Beifahrersitz und starrte stumm nach draußen. „Eigentlich war es zum Schreien komisch“, kicherte Juan belustigt und warf Kitty einen Seitenblick zu. „Ärgere dich nicht“, sagte er, „ungefähr so hatte ich sie mir vorgestellt.“
„Ach ja?“, sagte Kitty schnippisch und drehte den Kopf zu ihm. „Bin ich ihnen so ähnlich?“
„Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du. Nein, es war das, was du vorher über ihre Reisen gesagt hast. Man muss schon sehr spießig sein, um Länder wie Italien oder Spanien einfach an sich abprallen zu lassen. Und so, wie dein Vater mich angesehen hat, scheint er mich für eine Mischung aus Drogenhändler, Zuhälter und Zigeuner zu halten.“
Kitty musste wider Willen lachen. „Goldkettchen“, schnaubte sie belustigt, „auf der Bühne. Zum Smoking. Die Fans würden reihenweise in Ohnmacht fallen.“
„Das tun sie sowieso“, gluckste Juan. Dann wurde er wieder ernst, schwieg einen Moment und warf Kitty einen nachdenklichen Blick zu. „Wie hast du es geschafft, in dieser Umgebung der herzliche Mensch zu werden, der du bist?“
Kitty zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht.“
„Denk nach. Wer hat dich getröstet, wenn du Liebeskummer hattest?“
Juan sah, dass Kitty schmunzelte. „Meine Bücher. Und Georg.“
„Georg?“
„Georg und ich sind zusammen zur Schule gegangen.“
„Er war dein Freund? Also, ich meine…“
„Nein, nein“, sagte Kitty schnell, „nur ein guter Freund. Georg ist schwul. Wir haben zusammen studiert und suchten eine Wohnung. Wir haben den Vermietern ein Pärchen vorgespielt, dann war es leichter, eine zu finden. Und diese Wohnung haben wir uns drei Jahre lang geteilt.“
„Und er…“
„Georg war mein ,seelischer Mülleimer‘, so hab ich ihn genannt. Er war immer so lieb, er hat sich meine ganzen Spinnereien und Liebeskummer und alles angehört, und hat mich dabei noch bemuttert und den ganzen Haushalt geschmissen. Wir haben nächtelang über Gott und die Welt geredet. Und er hatte immer Verständnis, war immer mitfühlend und tolerant, obwohl… wenn notwendig, hab ich auch schonmal den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern bekommen. Er hat mir übrigens auch den Namen ,Kitty‘ verpasst.“ Kitty lachte leise.
Juan warf ihr einen Seitenblick zu. „Ich glaube, ich weiß jetzt auch, warum du den Namen Katharina nicht magst.“
Kitty lehnte den Kopf an die Scheibe. „Meine Eltern haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach einem eigenen Namen für mich zu suchen. Ich bin nach einer Tante benannt.“
„Magst Du sie denn?“
Kitty nickte. „Ich mag sie sogar sehr. Wir stehen uns viel näher als meine Mutter und ich. Aber einfach einen Namen aus der Familie zu nehmen, das ist…“
Juan nickte. „In unserer Familie haben wir alle zwei Vornamen. Der erste ist der, der für das Kind ausgesucht wird. Und der zweite üblicherweise vom Vater.“
„Also Juan ist dann Dein eigener Name, und Carlos vom Großvater?“
„Ganz genau.“
Kitty sah wieder zum Fenster hinaus. Juan sprach immer sehr liebevoll von seiner Familie. Er hatte ein ganz anderes Nest gehabt als sie. Vielleicht konnte man überhaupt nur so seine Fähigkeiten entfalten, indem man schon von Kindesbeinen an akzeptiert, geliebt und gefördert wurde.
Juan unterbrach ihre Gedanken. „Und wo ist Georg jetzt?“
„Er hat nach drei Jahren das Studienfach gewechselt und auch die Universität, deswegen haben wir unsere Wohngemeinschaft aufgelöst. Er ist nach München gegangen und arbeitet dort als Übersetzer. Sprachen lagen ihm immer. Wir haben nur noch wenig Kontakt. Leider.“
„Flieg doch mal nach München und besuche ihn.“
Kitty zog die Nase kraus. „Ich weiß nicht. Wir haben uns so lange nicht gesehen.“
„Wenn ihr wirklich Freunde seid, dann macht das nichts aus. Dann wird es sein, als hättet ihr euch gestern zuletzt getroffen. Das geht mir mit meinen Freunden in Madrid auch so.“
Kitty strich sich verlegen die Locken hinter die Ohren. „Nach München fliegen, einfach so. Ich habe bisher für jede Reise sparen müssen. Ich muss erst noch lernen, in solchen Dimensionen zu denken.“ Kitty drehte den Kopf und sah Juan nachdenklich an. Wie kam Juan, dieses Sinnbild von Männlichkeit, wohl mit Homosexuellen zurecht?
„Du hast vorhin ein bisschen das Gesicht verzogen, als ich von Georg erzählt habe. Hast du was gegen Schwule?“, fragte Kitty.
Juan schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. In künstlerischen Berufen hat man sehr oft mit Homosexuellen zu tun. Sie haben dieses faszinierende Einfühlungsvermögen, wo dem du gesprochen hast, und als Schauspieler oder Sänger brauchst du das. Früher habe ich mir immer viel darauf eingebildet, was ich für ein toller Kerl bin, und die nachgiebige, die sensible Seite immer als Schwäche gesehen. Dass es auch ganz entscheidende Vorteile hat, habe ich erst viel später gelernt. Und dass man kein Macho-Gehabe braucht, um ein richtiger Kerl zu sein.“ Juan deutete im Vorbeifahren auf ein Hinweisschild. „Die nächste Ausfahrt müssen wir raus, oder?“
„Ja“, sagte Kitty und lehnte den Kopf wieder an die Scheibe, „wir sind bald zu Hause.“
Juan warf ihr einen Blick zu und drückte ihre Hand. „Zu Hause ist da, wo man verstanden und geliebt wird. Warte, bis wir nach Madrid kommen, da wartet eine ganze Familie auf dich, die dich ins Herz schließen will. Und in der wirst du mehr zu Hause sein, als du in deiner eigenen je warst.“
Kitty antwortete nicht, sondern sah weiter nachdenklich zum Fenster hinaus. Eine neue Familie? Noch etwas, das sie wegen Juan hinter sich ließ. Beruf, Wohnort, sogar das Land, Familie, Kollegen, Freunde – alles würde sich in Kürze ändern. Und so sehr sie Juan liebte – alles hinter sich zu lassen machte ihr fast ein bisschen Angst.

Kapitel 12 – Ritz Carlton, Potsdamer Platz

In die Hotelbar vom Ritz Carlton zu gehen, gehört mittlerweile bei jedem Berlin-Besuch zum Standard. Nun ja, wenigstens einmal, denn die dortigen Preise erlauben weder große Besäufnisse noch die Mutation zum Stammgast, ohne arm zu werden. Trotzdem – die Bar hat Atmosphäre, ist kuschelig und gemütlich, und die Beschreibung in diesem Kapitel entspricht weitestgehend den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort, dem sogenannten „Curtain Club„. In den letzten Jahren hat sich allerdings ein Wandel vollzogen: die ganz Großen steigen hier inzwischen nicht mehr ab, die sind vermutlich eher im neuen „Waldorf Astoria“ zu finden…

 

Auszug aus Kapitel 12:

Kitty war nicht zum ersten Mal in einem Fünf-Sterne-Hotel, aber bisher bestenfalls, um zu arbeiten. Üppigkeit und Ambiente, das sie bisher immer nur von weitem bewundert hatte. Nun war sie plötzlich Teil davon, als willkommener und hofierter Gast. Gian steuerte auf den hinteren Teil des Eingangsbereichs zu, der mit schweren Vorhängen die Hotel-Bar von der Eingangshalle abschirmte. Stimmengewirr, und von irgendwoher erklang leise Klaviermusik. „Geht schon vor“, sagte Juan zu Kitty und Karolin, „ich muss kurz etwas erledigen.“
„Komm schon“, sagte Karolin und zog Kitty mit. Kitty sah sich um, Juan stand an der Rezeption und sprach mit dem Portier, der sich etwas notierte.
An der Bartheke herrschte beträchtlicher Lärm. James stritt sich gerade mit François herum. „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“
„Was ist denn los?“, fragte Gian. Brad saß auf einem Barhocker in der Nähe des Zapfhahns, hatte sich bereits einen großen Schluck Bier genehmigt und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. „Fans“, sagte er gelassen und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. Kitty sah sich um. An einem der kleinen Tische mit den Plüschsesseln hinter ihnen war es plötzlich still geworden. Es saßen ausnahmslos Frauen dort, die jetzt alle die Köpfe zu ihnen herumgedreht hatten. Hier und da hörte man zwischen der Klaviermusik leises Tuscheln. Juan kam von der Rezeption zurück und machte ein sehr zufriedenes Gesicht. Er sah sie reihum fragend an. „Was ist los?“ Brad trank gerade den nächsten Schluck Bier und zeigte wieder mit dem Daumen hinter sich. Juan musterte die Frauen an den Tischen, von denen einige die Köpfe zusammensteckten und so taten, als würden sie die Gruppe an der Bar gar nicht beachten. „Ich hab schon gesehen“, grinste Juan. Kitty staunte. „Die sitzen in eurem Hotel und hoffen, dass ihr euch mit ihnen anfreundet?“
„Yep“, bestätigte Gian.
„François will eine davon hierhin holen“, sagte James verärgert. „Aber ich kenne sie!“, sagte François und zeigte auf eine junge Frau mit langen blonden Haaren, „wir haben sie in Köln in der Hotelbar getroffen, ich habe ihr meine Handynummer gegeben.“
„Du hast was?!?“, fragte Brad alarmiert und knallte sein leeres Bierglas auf die Theke. „Ist doch egal“, sagte François trotzig, dann deutete er mit dem Kopf zu der Gruppe hinüber, „seht mal, die scheinen Streit zu haben.“ Er sah mitleidig zu der jungen Frau hinüber. Sie saß ein wenig abseits von den anderen und begann verlegen in ihrer Handtasche zu kramen, als sie François in ihre Richtung starren sah. „François, warte!“, rief James, aber François hatte sich schon in Bewegung gesetzt, ging zu ihr hinüber, sprach kurz mit ihr, nahm sie bei der Hand und brachte sie mit an die Bar. Sie hatte vor Aufregung einen hochroten Kopf. „Das ist Steffi“, stellte François sie vor, und sie rückten näher zusammen, um für Steffi Platz zu machen. Juan nutzte die Gelegenheit, den Arm um Kittys Schultern zu legen und sie enger an sich zu ziehen. Kitty lächelte. Es war ein schönes Gefühl, ihn so nahe zu wissen. Kitty musterte die junge Frau, die verlegen von einem Fuß auf den anderen trat und nicht recht wusste, wohin sie sehen sollte. „Was möchtest du trinken, Steffi?“, fragte sie aufmunternd und lächelte sie an. „Ganz egal“, stotterte Steffi und nestelte nervös mit ihrer Handtasche, „irgendetwas …“
„Weißwein?“
„Gerne.“
Juan gab dem Barkeeper bereits ein Zeichen und drehte den Kopf zu Kitty um. „Du auch einen?“, fragte er, und als sie nickte, hielt er zwei Finger hoch. Brad kippte das nächste Bier in einem Zug hinunter, linste zu Steffi hinüber und schüttelte den Kopf. „François ist ein Idiot“, sagte er halblaut zu Juan, „ein Fan. Die Büchse der Pandora. Hoffentlich geht das gut.“

Kapitel 9 – Telefonate

Karolin besucht ihre Freundin Kitty in Berlin. Kitty klingt am Telefon immer so deprimiert. Und richtig: sie hat Juan nicht vergessen können, und der ist wie vom Erdboden verschluckt. Was tun? Karolin hat eine Idee…

Das Hauptstadtstudio in Berlin

Das Hauptstadtstudio in Berlin

Karolin war tatsächlich schon da. Sie hatte direkt neben dem Geländer zur Spree einen der begehrten Korbsessel erobert und auf einem zweiten ihre Füße hochgelegt. Sie saß völlig entspannt in der Sonne, sprang aber auf, als Kitty an ihren Tisch kam, und umarmte sie. Karolin sah sich um und winkte dem Kellner. „Einen Kaffee und einen Earl Grey.“ Er nickte und verschwand nach drinnen. Sie musterte Kitty jetzt mit dem, was Kitty immer ihren Röntgenblick nannte. „Okay“, sagte Karolin und beugte sich vor. Sie zog ihre Sonnenbrille ein wenig nach unten und lugte Kitty über den Brillenrand hinweg an. „Der Doktor hat jetzt Sprechstunde.“ Kitty musste lachen, aber wurde wieder ernst. „Hendrik. Mal wieder.“ Karolin nickte verständnisvoll. „Das hast du mir am Telefon schon gesagt. Hast du mit deinem Chef geredet?“ Kitty schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Ich weiß nicht, ob es Sinn macht. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, was er tut. Im Grunde macht er nichts Verbotenes. Er steht auf dem Gang oder in der Teeküche herum und redet mit mir.“
„Ja, aber wie! Du musst etwas tun!“
„Ach, lass mich in Ruhe!“
Karolin musterte sie aufmerksam. „Immer, wenn du mich angiftest, frisst du irgendetwas in dich hinein. Aber ich weiß ein Gegenmittel. Wirf mal einen Blick unter den Tisch.“ Kitty beugte sich hinunter. Unter dem Tisch stand ein großer Weidenkorb mit Henkel, und obendrauf lag eine Decke, so dass Kitty nicht sehen konnte, was darin war. „Was ist das?“
„In diesem Korb“, raunte Karolin ihr verschwörerisch zu, „hat Rotkäppchen alles, was man für einen märchenhaften Weiberabend braucht. Kuchen, frisches Baguette, Käse und Rotwein.“
„Klingt gut. Aber nicht hier, hier läuft mir zuviel Arbeit nach.“ Zwei Tische weiter nahm gerade der Außenminister mit einem Sicherheitsbeamten und einem Journalisten Platz. Karolin starrte ihn mit kugelrunden Augen an. „Siehst du?“, lachte Kitty.
 

Berliner Dom

Berliner Dom

Kitty und Karolin hatten auf der Wiese zwischen dem alten Museum und dem Berliner Dom ihre Decke ausgebreitet und gemeinsam bereits eine Flasche Rotwein geleert. Um sie herum herrschte trotz der vorgerückten Abendstunde noch reger Betrieb. Im Gras, am Brunnenrand und auf den niedrigen gemauerten Wegbegrenzungen saßen und lagen vor allem Studenten der nahen Humboldt-Universität mit Pick-nickkörben und Gitarren. Das Gras duftete noch vom langen Sommertag, und in den nahen Bäumen beschimpften sich Spatzen, ihr Tschilpen drang immer wieder zu ihnen herüber. Kitty spürte, dass der Wein wirkte. Sie fühlte sich gelassen, beschwingt und redselig. „Gib es zu, du hast den Wein mitgebracht, um mich betrunken zu machen und alles aus mir rauszuquetschen.“
„Genau“, sagte Karolin todernst. Sie starrten sich finster an und brachen in schallendes Gelächter aus. Kitty wurde wieder ernst. „Ich komme mir völlig bescheuert vor“, sagte sie. „Warum?“ Karolins Stimme klang träge. Sie hatte sich der Länge nach auf der Decke ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah in den dunkelblauen Abendhimmel hinauf. „Sommer in Berlin“, sagte sie schwärmerisch, „was für ein Unterschied zu Köln.“ Sie drehte den Kopf und sah zu Kitty, die pausenlos Grashalme neben der Decke ausrupfte und in die Luft warf. „Also, warum bist du bescheuert?“ Kitty warf ihr einen finsteren Blick zu. „Weil ich dir seit einer Stunde erzähle, wie toll Juan ist, seine Augen, seine Stimme, dass ich pausenlos an ihn denke – hey, ich bin 30, keine 15.“
„Kaum zu glauben“, kicherte Karolin. Sie setzte sich auf, legte Kitty einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Wie viele Liebeskummer haben wir miteinander durchgestanden, hm?“ Kitty zuckte nur mit den Achseln. „Wenn man verliebt ist, fühlt man immer so, ob mit 15 oder mit 50. Mit der Zeit werden die Erwartungen realistischer, aber die Gefühle bleiben genauso intensiv.“

Berlin

Und hier das nächste bebilderte Kapitel:

Kapitel 7 – Suchen und finden

Berlin, Anfang August

Auf der Spree tuckerte ein Ausflugsschiff vorbei. „… und in Berlin wird ja nicht nur Politik gemacht“, tönte es übers Wasser, und vom Gebäude des Hauptstadtstudios prallte die Ansage mit einem Echo wieder ab. Ausläufer der Bugwelle des Schiffs plätscherten gegen die Kaimauern, eine leichte Brise ließ die Blätter in den Platanen tanzen. „Auf der linken Seite sehen Sie das Studio des SENDERs, und gleich dahinter das Reichstagsgebäude“, verkündete der Ansager auf dem Schiff und alle Köpfe oben auf Deck drehten sich gehorsam nach links.

Kitty nahm keine Notiz. Im Sommer folgte ein Ausflugsschiff dem nächsten, und die Bootsführer hatten mal mehr, mal weniger originelle Sprüche, um den Touristen das Regierungsviertel zu erklären. Sie schob ihre leere Teetasse ein wenig beiseite, um ihre Unterlagen auf dem kleinen Bistro-Tisch besser durchblättern zu können. Das war einer der Vorteile an der Arbeit im Hauptstadtstudio – ein erstklassiges Café unten im Haus, mit hervorragender Küche, für Angestellte des SENDERs zu vergünstigten Preisen. Und jetzt, im Sommer, mit Straßencafé, die Tische direkt am Spreeufer. Und einen Chef, dem es egal war, wo man seine Unterlagen las, Hauptsache, man kam gut vorbereitet zu den Konferenzen. Insofern war Werner Tumbstedt eine angenehme Überraschung gewesen, wenn sie auch sonst in den vergangenen vier Wochen nicht viel von ihm gesehen hatte.

Kitty nahm einige zusammengeheftete Blätter aus dem Stapel heraus, beschwerte die anderen mit dem Zuckerstreuer, damit sie nicht wegfliegen konnten, stellte die Füße auf die Querstrebe vom Geländer und legte sich den Packen Papier auf ihre angewinkelten Beine. So ließ es sich gut arbeiten. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass am Nachbartisch inzwischen zwei Bundestagsabgeordnete der Unionsparteien Platz genommen hatten und beim Kellner bestellten. Sie schmunzelte. Die Arbeit folgte ihr überall hin. Dann begann sie zu lesen.

*****

Restaurant "Die Eins"

Das Hauptstadtstudio gibt es tatsächlich, und auch das Restaurant und Café „Die Eins“ am Spreeufer. Besonders beliebt: Frühstück von 9-24 Uhr. Reichhaltig und lecker. Die Schnitzel Wiener Art mit Bratkartoffeln sind unüberbietbar! Und tatsächlich verirrt sich auch der eine oder andere prominente Politiker oder Fernsehjournalist hierhin. Die Bedienung ist aufmerksam und flink, das Essen hervorragend, und mit Blick auf die Spree kann man die Seele baumeln lassen.

Kapitel 6 – Unsanftes Wecken

Juan ist verschwunden. Das einzige, was seine drei Kollegen wissen ist, dass er in der Nacht in Begleitung einer rothaarigen Frau gesehen wurde und offenbar nicht ganz bei sich war, womöglich unter Drogen oder sinnlos betrunken. Gian, François und James überlegen fieberhaft, was sie tun sollen.

Der Portier nickte eifrig. Offenbar war er froh, endlich eine gesicherte Auskunft geben zu können. „Drüben am Hauptbahnhof ist der Hauptstandplatz der Kölner Taxis hier in der Innenstadt. Wenn Sie ein Foto von Ihrem Kollegen mitnehmen, wird sich bestimmt herausfinden lassen, ob er in der Nacht in einem Taxi unterwegs war.“

Und schon stürmen die drei los und befragen die Taxifahrer …